Pakistanische LKW-Fahrer (Quelle: Weit GbR)

Film: WEIT. Die Geschichte von einem Weg um die Welt (2017)

Kurz nach Weihnachten habe ich den Film “WEIT. Die Geschichte von einem Weg um die Welt” gesehen, der bereits seit Juni 2017 vor allem in kleineren Kinos in Deutschland läuft und einen unerwartete großen Ansturm erlebt hat. Oder, wie die Webseite einleitet: “Staunend stehen wir da und beobachten, was für einen weiten Weg durch die Herzen der Menschen unsere Reisedoku „WEIT.“ sich gesucht hat und immer noch sucht. 330.000 Zuschauer und Zuschauerinnen haben den Film mittlerweile schon gesehen und ihn so zu der mit Abstand erfolgreichsten Kinodokumentation 2017 in Deutschland gemacht.”

Mit Raumplanung hat der Film nichts zu tun, und auch wenig mit Städten, gebauter Umwelt oder Infrastrukturen. Stattdessen stehen Menschen im Mittelpunkt – unter anderem die mehr als 600 Fahrer*nnen, von denen Gewendolin Weisser und Patrick Allgaier im Laufe von drei Jahren und 110 Tagen mitgenommen wurden. Und viele unberührte Landschaften, in denen das mitgenommene Zelt immer wieder seinen Platz findet. Ganz im Gegensatz zu Städten, denen der Film wenig Zeit widmet und die vielfach – deutlich ausgedrückt am Beispiel Indien – als zu hektisch und unübersichtlich erscheinen.

Im Trailer machen die beiden Hauptdarsteller bereits klar, dass sie Fantasie gegen Erfahrung getauscht haben und dabei von Heimat zu Heimat gereist sind – denn: “Wir alle haben eine Heimat” (siehe Webseite). Der Film ist in jeder der 125 Minuten damit auch ein starkes Statement dafür, dass Heimat ganz unterschiedlich aussehen, unterschiedlich ausgelebt und von jedem neu eingegrenzt werden kann. So wird klar, dass die Reise eine neue Definition von Heimat hervorbringt, die sich über alle Grenzen hinweg erschreckt – das Zuhause aber hier im Südwesten Deutschlands bleibt.

WEIT. (Quelle: Weit GbR)

WEIT. (Quelle: Weit GbR)

Zeit wird dabei im Film zu einer nachrangigen Größe. Ob die Reise ein Jahr oder länger dauert, bleibt am Anfang vage und auslaufende Visa sind auch zwischendurch fast die einzigen Momente, wo sich Abläufe doch wieder nach zeitlichen Regeln richten. Sonst gilt eher das Motto “mal langsam. mal noch langsamer.” (Zitat aus dem Trailer). Unsicherheit ist demgegenüber ein starker Begleiter, der jede erzählte Geschichte prägt. Wer an einer Straße mit maximal einem Fahrzeug pro Tag trampen möchte, kann gar nicht anders, als mit einer positiven Einstellung auf Unsicherheiten schauen und jede Gelegenheit als einzigartige Chance zu sehen. Die dann im Film auch meistens erfüllt wird – es bleibt in der Darstellung bei kleineren Rückschlägen, aber keinen größeren Problemen. Selbst Ozeane werden über Land und Wasser überwindbar, auch wenn die letzte Überfahrt mit Kleinkind auf einem Kreuzfahrtschiff erfolgen muss.

Eine Botschaft können auch alle Planer*innen mitnehmen: trotz scheinbar großer Unterschiede der Landschaften, Städte, Umgebungen und Lebensweisen gibt es etwas Verbindendes. Im Film ist es oft die gegenseitige Neugierde gepaart mit einer positiven Lebenseinstellung. Unterschiede können etwas sehr Spannendes sein, aus denen für Alle neue Erfahrungen und Erkenntnisse entstehen. Und durch das Reden mit allen werden viele Perspektiven eröffnet, die beim Reden über alle nie entstehen können: “Dreieinhalb Jahre waren wir unterwegs. Und die Welt. Sie ist bunt.” (Zitat aus dem Trailer).

Ein spannender Film über unsere Welt mit einer positiven Sicht auf Unterschiede, Einzigartiges und Erhaltenswertes. Aber auch auf kleine Probleme des Alltags. Es ist ein persönlicher Reisebericht, der nicht ermahnt oder auf große (politische) Diskussionen Bezug nimmt und sich selbst dabei durchweg treu bleibt. So ist es auch der persönliche Bezug, der den Film so tief wirken lässt. In vielen Aussagen und Erfahrungen findet sicher jeder ein Stück von sich selbst wieder. Vielleicht ist es Zufall, dass man die Schrift “WEiT” auf dem Titelfoto durch einen darüber liegenden Gurt auch als “WERT” lesen kann – es würde aber passen.

Der Film ist nach der Reise durch ein Crowdfunding-Projekt finanziert worden und hat die Erwartungen offensichtlich derart übertroffen, dass im Onlineshop derzeit viel ausverkauft ist und das gedruckte Magazin zur Reise bereits in vierter Auflage erscheint. Die Filmmusik ist einen eigenen Blick bzw. ein Hineinhören wert.

Beitragsbild: LKW-Fahrer in Pakistan (Quelle: Weit GbR, Ausschnitt angepasst).

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